Montag, 17. Februar 2014

Vom Jagen und Sammeln

Was kann man an einem Samstag so alles tun? Das etwas zu enge "Böhse Onkelz"-Shirt überstreifen, es sich in die ausgeblichene Jeans stecken und einen Flohmarkt unsicher machen zum Beispiel. Nicht, dass ICH das getan hätte. Ich würde mir das Shirt nie in die Hose stopfen und schon mal gar kein "Böhse Onkelz"-Shirt. Nein, dieser Typ kam mir am Samstag entgegen auf besagtem Flohmarkt. 

Warum ich da war? Die Erklärung ist etwas verschroben und hat zum Glück nichts mit dieser Band zu tun, mit der ich keinerlei Berührungspunkte habe. Nein, in den letzten Monaten habe ich mit großem Interesse die Abenteuer der "Game Chasers" verfolgt, die Retro-Spiele auf Flohmärkten aufstöbern und dabei die tollsten Schnäppchen machen. Irgendwie hat dies in mir die Sehnsucht nach Flohmärkten wiedergeweckt. Auf diesen ganz und gar merkwürdigen Veranstaltungen war ich nämlich Jahre nicht mehr, aber die Aussicht, selbst einen solchen Retro-Schatz zu heben, brachte mich an die frische Luft (die allerdings manchmal merkwürdig roch).

Am Samstag war es also wieder mal so weit und der Herr mit dem BÖ-Shirt (und einer speckigen Lederjacke drüber, versehen mit einem seltsam gequälten, wie hektischen Gesichtsausdruck) war einer der ersten komischen Menschen, die mir entgegenkamen. Auf so einem Flohmarkt kann man nämlich die merkwürdigsten Gestalten sehen, vor und hinter den Verkaufsständen. 

Schnell war ich wieder gefangen, von diesem seltsamen "Zauber". Ziellos über den Platz schlendern, dem Treiben der unterschiedlichsten Menschen zusehen, Waren, die ich im Traum nicht haben will begutachten, gemischt mit diesem Indiana Jones - mäßigen Drang, einen Schatz zu finden. Mein Schatz wäre an diesem Tag ein seltenes Modul für eine nicht mehr im Laden erhältliche Nintendo-Konsole gewesen (VIELLEICHT hätte ich mich noch zu SEGA überreden lassen können, will ich mir doch noch mal ein Mega Drive und die entsprechenden Spiele besorgen). So als Sammler sollten die Sachen aber bitteschön verpackt sein (der Experte spricht von "boxed") und nicht zu teuer. Man will sich schließlich nicht über den Tisch ziehen lassen. Gesucht wäre also idealerweise eigentlich ein Papa, der altes Zeug von seinem mittlerweile ausgezogenen Sohnemann verkauft (der natürlich gut auf seinen Kram aufgepasst hat und KEINESFALLS Hüllen oder Anleitungen seiner Super Nintendo-Spiele verschandelt oder gar weggeworfen hat). 

Um es kurz zu machen: so etwas ist mir an diesem Tag leider nicht untergekommen. Die einzigen Menschen, die Spiele verkauft haben, waren die viel gescholtenen "Händler" (stellt euch das Wort maximal verächtlich ausgesprochen vor). Einer von ihnen hatte tatsächlich auch ein kleines Kistchen mit Retrokram dabei (einige verblichene SNES-Module, 3 wirklich uninteressante Titel in absolut heruntergekommenen Packungen und ein paar verpackte N64-Titel, die mich aber nicht interessieren). Zudem hatte er ein paar Gameboy-Module und mehr DS-Spiele. Ich bin mit dem Mann kurz ins Gespräch gekommen. Auf meine Frage nach den Preisen für die DS-Spiele fragte er mich als erstes, ob ich denn schon eines dieser "Module" mit 120 Spielen hätte. Gemeint sind die Module, in denen eine SD-Karte Platz findet und auf denen dann ROMS von DS-Spielen geladen werden. Ich wollte keine Diskussion darüber, wie sehr mich das Raubkopieren von Spielen nervt und ich will sie auch jetzt nicht. So winke ich nur kurz ab und gebe mich als Sammler zu erkennen. Er sagt nur, dass er das auch scheiße findet, aber alle würden die verkaufen. Als er mein Interesse an den Retro-Spielen erkennt, beginnt er ein Gespräch mit mir. Ja, das alte Zeug ist richtig "heiß" im Moment. Geht gut weg. Ja, die Preisentwicklung in den letzten Jahren ist mir auch aufgefallen. Ich habe mich schnell entschieden, dass in seinem Sortiment für mich nichts dabei ist (und ich habe erkannt, dass der Mann wenig Ahnung hat, dafür aber den festen Eindruck, dass ALLE alten Nintendo-Spiele PURES GOLD sind), doch bevor ich gehe, winkt er mich noch hinter den Stand, um mir seinen Schatz zu zeigen. Er fingert eine absolut abgeranzte Verpackung eines SNES aus dem Auto heraus und zeigt sie mir. Die Packung ist in einem erbärmlichen Zustand, der Vorbesitzer (oder einer von mehreren) hat sich mit einem Edding und seinem Namen verewigt. Als der Händler merkt, dass ich nicht sofort mit feuchten Händen nach meiner Brieftasche greife, wirft er die wertvolle Fracht ziemlich ruppig in sein Auto. Nein, mit mir wird er heute kein Geschäft machen.

So ziehe ich weiter, sehe mir merkwürdige Menschen an und hoffe tief in mir drin auf einen Game Chasers-mäßigen Fund, der mir aber nicht gelingt. So ziehe ich unverrichteter Dinge von dannen, aber meine Nerd-Gelüste wurden scheinbar nicht genügend befriedigt. So fahre ich zu einem Comicladen, in dem ich noch nie war (meine Zeit in solchen Lokalitäten ist sogar noch viel weiter entfernt, als meine Flohmarkt-Phase). Der Laden hat nichts, aber auch überhaupt nichts von dem Comicbuch-Shop in The Big Bang Theory. Im Gegenteil, die Variante aus der TV-Serie ist die Luxus-Ausgabe eines solchen Geschäfts. Der Besitzer sollte den Preis für den vollgestelltesten Laden überhaupt gewinnen. Das Sortiment ist enorm, der Platz ist enorm begrenzt. Leider kenne ich mich so gut wie überhaupt nicht aus, was Comics angeht, noch viel weniger als ich eigentlich dachte. Ich war außerstande, mir etwas zu lesen zu holen, zu sehr wurde ich erschlagen mit dem Angebot, das nicht nur aus Figuren und Merchandise bestand, sondern auch aus Unmengen an Comics, die in Kisten die einstmals "normalen" Gänge zu minimalen Pfaden werden ließen. Zumindest stelle ich mir vor, dass die Wege mit den Jahren immer enger wurden. Natürlich stehe ich permanent im Weg und komme mir zudem etwas deplatziert vor. Schnell streiche ich die Segel und gebe es auf, mir einen Comic zu kaufen. Es wäre mir peinlich gewesen, mich als totalen Noob zu outen, um zu fragen, was man denn als "Anfänger" so kaufen sollte. Stattdessen lausche ich den fremdartig klingenden Diskussionen im kleinen Geschäft. Eintauchen in eine interessante, aber absolut fremde Subkultur kann Spaß machen, wenn man sich die Zeit dafür nehmen und sich darauf auch einlassen will. 

Retro-Eierbecher (leider ohne Eier)

Kurz bevor ich gehen will, sehe ich passende Eierbecher zu meinen Salzstreuern (wer nicht weiß, was ich meine, HIER kann man es nachlesen). Da ich gern irgendeinen "Schatz" an diesem Samstag finden wollte, nehme ich Inky und Blinky kurzentschlossen mit, fange noch eine kurze und belanglose Diskussion mit dem Ladeninhaber an, in der er sich als Nintendo-Noob outet. Das bringt mich innerlich zum Schmunzeln. Gibt es also doch einen Bereich, in dem ich mich besser auskenne, als dieser Comic-Intellektuelle (diesen Eindruck gewinnt man schnell, wenn man sich in dem Laden aufhält). Mit einem halbwegs guten Gefühl fahre ich wieder nach Hause. Auf der Fahrt muß ich an die Game Chasers denken und fühle mich gleich etwas schlechter, denn viel lieber als Eierbecher hätte ich ein seltenes Castlevania oder Sunset Riders für mein Super Nintendo zum Schnäppchenpreis geschossen. Aber bei diesem ersten und ziemlich halbherzigen Versuch wäre das wohl auch zu einfach gewesen und zu viel verlangt. Aber die Jagd ist noch nicht zu Ende… 

Freitag, 7. Februar 2014

Flappy Bird - Masochismus to go

Der mobile Games-Markt ist eine Branche, in der ich mich schon seit einigen Jahren beruflich bewege. Ich finde, es ist ein enorm spannendes, weil schnelllebiges Feld. Einige der Trends sind begrüßenswert, wieder andere empfinde ich als bedenklich. Dann gibt es aber dann und wann Phänomene, die sich mir überhaupt nicht erschließen.

Mittels Werbebanner 50.000 $ pro Tag?

Vor ungefähr einem Jahr gab es einen ziemlichen Hype um das bockschwere Geschicklichkeitsspiel "Super Hexagon", das mit einem Minimum an Aufwand ein funktionierendes und irgendwie süchtig machendes Spielerlebnis auf Smartphones gezaubert hat. Dennoch habe ich (objektiv betrachtet) viel bessere Spiele scheitern, bzw. sang- und klanglos im App Store untergehen sehen. Damals fragte ich mich schon, warum gerade um dieses Spiel ein solcher Hype entstehen konnte. Immerhin erschien es relativ stylisch und stilsicher und konnte auch bei mir zumindest kurzfristig einen Sog erzeugen. Dieses "ein Spiel noch"-Phänomen.

Die grünen Röhren... Ob die Ähnlichkeit wohl zufällig ist? 

Gestern aber habe ich mir ein Spiel namens "Flappy Bird" auf mein iPhone geladen. Es war kostenfrei und darauf aufmerksam wurde ich, weil es sich auf dem ersten Platz der kostenfreien iPhone-Apps befand. Die Screenshots wirkten erst mal abschreckend, erinnerten sie mich doch an eine lieblos zusammengeklaute Pixel-Collage. 

Ich probierte das Spiel aus und war halbwegs entgeistert. Man steuert einen Pixelvogel durch Berühren des Touchscreens durch eine unendliche Anzahl von Toren, die aus Röhren bestehen, die aussehen, als wären sie aus Super Mario Bros kopiert. Es handelt sich also um einen Endless-Runner der aller-, aller-, allereinfachsten Sorte. Für jedes durchflogene Tor gibt es einen Punkt, das Aufstellen eines Highscores wird aber auch durch eine Kollisionsabfrage aus der Hölle erschwert. Selbst der Font, mit dem der Titel oder auch das "Game Over" erstrahlen erinnert an ein anderes (viel besseres) Spiel, nämlich Grand Theft Auto. Kann natürlich auch Zufall sein, nur glaubt das Jemand in diesem Zusammenhang ernsthaft?

Viel interessanter als das (offensichtlich / hoffentlich) gehackte Leaderboard ist die Spielerzahl!

Nach einigen ernüchternden Versuchen warf ich Google an, um mehr herauszufinden und war erstaunt, jede Menge Berichte zu finden. Auf den unterschiedlichsten Webseiten. So berichtet auch sueddeutsche.de über das Spiel und versucht den Erfolg zu erklären. Dabei beschreiben sie einfach Mechanismen, die jeder Endless Runner nutzt. Von denen gibt es im App Store ganz viele und fast alle sind (auch nach objektiven Maßstäben) besser. Ganz frisch war auch zu lesen, dass der Entwickler das Spiel in 3 Nächten zusammengeschustert hat und allein durch Werbung 50.000 $ pro Tag verdient (mal wieder so eine Goldgräber-Erfolgsgeschichte des App Stores, die es früher viel öfter gab). Auf youtube gibt es Videos, die den Frust der Spieler zeigen, wenn sie unweigerlich scheitern. 

Das kann man dann wohl guten Gewissens unter dem Stichwort "Phänomen" zusammenfassen. Und während ich oft genug Trends bestätigt sehe, erschließt sich mir der Erfolg von "Flappy Bird" überhaupt nicht. Es gibt wohl sogar Spekulationen, dass da nicht alles mit rechten Dingen zuging, doch an denen will ich mich überhaupt nicht beteiligen. Es ist einfach erstaunlich, wie viele Menschen ausgerechnet dieses Spiel spielen. Es zwingt sie ja auch niemand. Das ist halt Masochismus to go und damit ist noch nicht mal nur der Schwierigkeitsgrad gemeint. Einerseits freue ich mich ja auch, dass ein Mobile Game den Weg in die Massenmedien findet, aber dass es ausgerechnet eines vom "Kaliber" eines Flappy Bird sein muss, ist dann doch ein Wermutstropfen.

Zu sehen, dass immer mal wieder etwas Unvorhergesehenes passiert, Dinge, die ich nicht verstehe, freut mich aber. Denn sie machen die Branche wirklich spannend. Unberechenbar, aber auch aufregend. Und deswegen finde ich sie so interessant und freue mich, dass ich mich in ihr bewegen darf.